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Friedhöfe
Sechs Friedhöfe sind für die Geschichte der Stadt Delitzsch nachgewiesen; sie ziehen und zogen sich geographisch vom westlichen Rand der Altstadt bis an den östlichen Ausgang des heutigen Stadtgebietes.
Als solche erkennbar und erhalten sind gegenwärtig nur noch drei Anlagen: der städtische Friedhof in der Dübener Straße, der sogenannte "Alte Friedhof" an der Marienkirche und der Jüdische Friedhof am Rosental.
Mit dem Gottesacker an der Stadtkirche, dem Friedhof des Frauengefängnisses hinter dem Barockschloss und dem begonnen, dann aber in den späten 1990er Jahren aufgegebenen städtischen Friedhof an der Beerendorfer Straße eröffnen die Zeitläufte jedoch ein weitaus komplexeres Bild sakraler und profaner Begräbniskultur sowie der Stadtentwicklung von Delitzsch.
Erhaltene Anlagen
1384 angelegt, ersetzte dieser Friedhof die frühere Begräbnisstätte an der Stadtkirche. Gleichwohl die letzten Begräbnisse 1878 erfolgten und die Umbenennung des Platzes in "Marienpark" schon 1952 vom Stadtrat beschlossen wurde, heißt die Fläche umgangssprachlich immer noch Marienfriedhof oder Alter Friedhof.
Historisch bedeutend sind die aus dem Jahr 1585 erhaltenen Schwibbögen an der Südseite des Parks. Diese Bogenöffnungen an der Mauer waren vermutlichTeil von Grablegen. Erhalten sind solche Gräber heute noch auf einem der wenigen bewahrten Renaissancefriedhöfe Nordeuropas, dem Halleschen Stadtgottesacker. Es bleibt zu vermuten, dass die Schwibbögen auf dem Delitzscher Marienfriedhof im Dreißigjährigen Krieg zerstört wurden.
Im Rosental an der Ecke zur Hainstraße liegt der Israelitische Friedhof von Delitzsch. 1865 erstmals für eine Bestattung geutzt, fanden 1911 und 1928 Erweiterungen des Friedhofs statt. Eine 1928 errichtete Kapelle wurde während der Novemberprogrome 1938 zerstört.
In den Jahren 1976 und 2010 hat man den Friedhof geschändet. Im April 2010 wurden alle Grabsteine von ihren Sockeln gestoßen.
Alljährlich findet am Nachmittag des 9. Novembers als mahnende Erinnerung eine ökumenische Andacht auf dem jüdischen Friedhof statt. Eine Übersicht über die in Delitzsch verlegten Stolpersteine finden Sie hier.
Überformte oder nicht errichtete Friedhöfe
Als wohl erster Friedhof von Delitzsch muss der Gottesacker an der Stadtkirche St. Peter & Paul angesprochen werden. Das Gotteshaus, heute noch zum Großteil Zeugnis des 15. Jahrhunderts, steht im westlichen Bereich auf den Mauern eines hochmittelalterlichen Vorgängerbaus, der Peterskirche, errichtet wahrscheinlich um 1170/80 . Diese Kirche war wahrscheinlich das erste Gotteshaus der sich ab 1150 entwickelnden Siedlung Delitzsch, die 1291 erstmals als Stadt Erwähnung fand.
Zur Entstehungszeit dieser wohl ersten Delitzscher Kirche war es üblich, die Toten direkt in der Kirche zu bestatten – das Privileg von Adligen und Klerikern.
Außer den Unehrenhaften, wie Hingerichteten oder Selbstmördern , fanden also alle Bürger der Siedlungs- und später Stadtgesellschaft ihre letzte Ruhe am örtlichen Gotteshaus, was sich erst nach der Reformation ändern sollte.
Dieser erste Delitzscher Friedhof hat sich wohl im Norden, Westen und Süden um diese erste Kirche erstreckt, gleichwohl hier zu bemerken ist, dass es sich dabei nicht um eine Begräbnisstätte nach unseren heutigen Vorstellungen gehandelt hat. Die Bestattung erfolgte im Mittelalter, gelinde gesagt, ungeordnet; teilweise in Gruben oder im besten Falle noch in nebeneinander ausgehobenen Gräbern, immer als Erdbestattung, ohne Grabstein, meist übereinander.
Bis zum beginnenden 15. Jahrhunderts war der Kirchhof als Gottesacker wegen des geplanten Kirchenneubaus endgültig durch den an der Marienkirche am östlichen Ausgang der Neustadt abgelöst. Die Planungen dazu liefen spätestens im Jahr 1402, als man wegen des bevorstehenden Neubaus der Peterskirche die Marienkirche herrichtete. Zudem war es spätestens jetzt üblich geworden, Friedhöfe nur noch am Stadtrand zu betreiben. Da die Delitzscher Altstadt inzwischen angewachsen und mit einer komplexen Wehranlage befestigt war, machte sich die ausschließliche Nutzung des Gottesackers an der abseits liegenden Liebfrauenkirche notwendig.
Bei einer im Zuge der Sanierungsarbeiten der Alten Lateinschule durchgeführten Grabung 2008 fand Grabungstechniker Michael Rummer in der mittelalterlichen Siedlungsschicht nördlich der Stadtkirche in rund 2,30 Meter Tiefe eine Grabgrube mit Knochen. "Die kleine Untersuchung bestätigte den Verdacht auf einen wohl mittelalterlichen Friedhof nördlich der Stadtkirche St. Peter und Paul und gibt einen Hinweis auf die Stratigraphie der Delitzscher Altstadt."
Die Umbenennung des Platzes zwischen Stadtkirche und Alter Lateinschule von "Kirchhof" in "An der Kirche" erfolgte erst 1892.
Mit der Einrichtung des königlich-preußischen Frauenzuchthauses im Schlossbezirk 1860 ging die Anlage eines Gefängnisfriedhofes einher. Dafür kaufte der Polizeifiskus ein im Hain am Rosental gelegenes, zwei Morgen großes Ackergrundstück des Landwirts Tiemann .
Bis zum Begräbnis, das jeweils der Anstaltsgeistliche vornahm, wurden die Verstorbenen im Leichenhaus gelagert, das seit 1860 im ehemaligen Kornhaus des Schlosses eingerichtet war (heute Kindertagesstätte "Sonnenschein").
Bis zur Auflösung des Frauengefängnisses wurden auf dem Friedhof 19 Personen bestattet. Heute, fast 100 Jahre nach der Gefängnisauflösung, erinnert nichts mehr an dieses Kapitel der Sepulkralkultur in unserer Stadt.
Zwischen 1982 und 1998 hatte die Stadtverwaltung ein über vier Hektar großes Areal am östlichen Stadtausgang für die Anlage eines neuen städtischen Friedhofs im Blick. Vor allem vor der politischen Wende hätten die Begräbnisprognosen für den bestehenden städtischen Friedhof an der Dübener Straße dies erforderlich gemacht.
Der Wegzug etlicher Familien in den 1990er Jahren und die schlechten Bodenverhältnisse führten schließlich zur Einstellung der anfangs genannten Überlegungen.
Damit bleibt der städtische Friedhof in der Dübener Straße der einzig aktiv genutzte städtische Friedhof in Delitzsch.